Die zweite, überarbeitete und stark erweiterte DenkWelten-Pilotausstellung wurde unter dem Titel »überdacht! philosophie mit weitblick« vom 16. Oktober 2014 – 25. Januar 2015 im Landgrafenschloss Marburg (Kleiner Rittersaal) gezeigt.
Die Ausstellung wurde von einem Rahmenprogramm begleitet, zu dem Sie hier Informationen finden.
Outdoor-Event »Philosophie & Astronomie« am 10.01.15, 18:00–20:00;
Philosophie in 3D mit Hanno Depner (»Kant für die Hand«) am 17.01.2015, 18:00–20:00.
(Beachten Sie bitte auch unsere weiteren Objekte, die bei weiteren Ausstellungen und letztlich in einer Dauerausstellung Platz finden sollen. Alle unsere Exponate können ausgeliehen werden.)
Gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Apfel und einem Teller, obwohl beide materielle Einzeldinge und Teil des menschlichen Alltags sind? Hannah Arendt, eine der wichtigsten Denkerinnen in der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, unterscheidet in ihrem Hauptwerk zwischen »Arbeiten« und »Herstellen« – zwischen Tätigkeiten der unmittelbaren Lebenserhaltung und solchen, die bleibende Kulturprodukte erzeugen. Unser Exponat ist ein Tisch mit verschiedenen Objekten, die je nach ihrer Herkunft aus Arbeiten oder Herstellen unterschiedlich lackiert sind. (mehr...)
Sprache, Mythos, Religion, Kunst, Wissenschaft und Geschichte, je nach betrachteter Quelle auch Ethik, Recht und Technik, sind grundlegende, nicht aufeinander reduzierbare Weisen des Tuns und Erlebens: symbolische Formen. Die auf diesem Konzept beruhende Kulturphilosophie Ernst Cassirers gehört zu den wichtigsten philosophischen Großtheorien des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Installation besteht aus verschiedenen symbolischen Formen zugeordneten Vitrinen, die alle an dasselbe stiftende »sinnliche Zeichen« anknüpfen: einen Apfel. (mehr...)
Gottlob Frege ist einer der wichtigsten Logiker aller Zeiten und der Vater der analytischen Philosophie. Eine Grundlage seines Sprachverständnisses ist der Unterschied zwischen Sinn und Bedeutung: die Bedeutung eines Zeichen ist das, was es bezeichnet, der Sinn jedoch die »Art des Gegebenseins« des Bezeichneten. So haben die Ausdrücke »Morgenstern« und »Abendstern« dieselbe Bedeutung (den Planeten Venus), aber unterschiedlichen Sinn. Unser Exponat verdeutlicht dies mit Hilfe eines Schaukastens, der ein zweigeteiltes Stadtdiorama enthält: je nachdem, von welcher Seite man einblickt, sieht man die Stadt in der Morgen- oder in der Abenddämmerung. Von beiden Seiten ist derselbe Himmelskörper zu sehen, einmal als Abend-, einmal als Morgenstern. (mehr...)
Für Martin Heidegger besteht die Lebenswelt des Menschen unter anderem aus »Zeug«, das heißt, aus Gegenständen, die zu gebrauchen sind, um bestimmte Zwecke zu erfüllen. Dabei steht alles Zeug untereinander in Verbindung dadurch, dass Dinge aufeinander verweisen: der Nagel auf den Hammer, mit den man ihn einschlägt, das Auto auf die Straße, die damit befahren wird, die Zitronenpresse auf die Frucht, die damit ausgedrückt wird. Die Installation zeigt alltägliche Gegenstände, die ohne ihren Gebrauchskontext (im »Zeugzusammenhang«) nicht ohne weiteres zu identifizieren sind, deren intendierter Zweck (»Um-zu«) im entsprechenden Kontext jedoch sofort klar wird. (mehr...)
In vielen ethischen Theorien, deren berühmteste die Kants ist, ist das Hauptkriterium dafür, ob Handlungen wünschenswert sind oder nicht, ihre Universalisierbarkeit: Nur wenn es sich widerspruchsfrei denken lässt, dass nicht nur eines oder viele, sondern ausnahmslos alle handelnden Subjekte sich an eine bestimmte Regel halten, kann man diese gutheißen. Das Exponat ist ein interaktiver Film: Ein Druck auf einen Knopf lässt zwei Gruppen von Menschen in entgegengesetzter Richtung einen Platz überqueren. Vorher kann über einen Auswahlschalter eine Strategie gewählt werden, die die Agierenden anwenden, um mit Entgegenkommenden umzugehen. Wie universell die jeweilige Regel anwendbar ist oder nicht, wird sofort sichtbar. (mehr...)
Der Mensch ist bloß eine Maschine! Es existiert überhaupt nichts außer Materie! Was wir für eine Seele halten, ist nichts als eine Summe von Körperfunktionen! – mit solchen Thesen wurde Julien Offray de la Mettrie zum Skandalphilosophen der Aufklärung und zum Begründer des neuzeitlichen Materialismus. Unser Exponat lässt typische menschliche Reaktionen auf Schlüsselreize auf dem Gesicht eines Roboters erscheinen. (mehr...)
Die Vorstellung, dass sich die Welt vollständig durch das Nebeneinanderstellen von Aussagesätzen beschreiben lasse, die angeben, was »der Fall ist«, gehört zu den einflussreichsten der modernen Philosophie und ist eng verbunden mit Ludwig Wittgensteins frühem Hauptwerk, dem Tractatus logico-philosophicus. Die Installation nimmt diese Vorstellung auf: sie präsentiert einen möblierten Raum, reduziert auf weiße Flächen und Quader, die lückenlos mit Aussagesätzen bedruckt sind. (mehr...)
Dass auch Menschen, die keine Christen sind (oder sogar gar keiner Religion angehören), sich moralisch verhalten und eine Gesellschaft, in der es tugendhaft zugeht, bilden können, ist heute vielleicht keine selbstverständliche Vorstellung; aber besonders skandalös wirkt es auch nicht. Als Christian Wolff 1721 aber diese Meinung geäußert hatte, wurde er umgehend aus dem Staat Preußen verbannt – er kam nach Marburg und wurde zum Begründer des Ruhms der dortigen Philosophie.
In Wolffs »Chinesenrede« argumentiert er, dass die christlichen Staaten über zwei Quellen für moralische Richtlinien verfügten, nämlich die göttliche Offenbarung und die Vernunft, das Selberdenken, der Menschen, während beispielsweise das damalige China nur die Vernunft, also nur eine einzige Quelle nutzen könne. Und doch war – soweit er es aus seinen Quellen beurteilen konnte – China ein mindestens genauso tugendhaft organisierter Staat wie die christlichen! In Anlehnung an die damals übliche Lichtmetaphorik lässt unser Exponat auf eine Weltkarte auf dem Stand von 1721 das »göttliche Licht« und das »natürliche Licht« auf Preußen, auf China jedoch nur das »natürliche Licht« scheinen. (mehr...)
Das Ziel der Ausstellung ist es, das Philosophieverständnis der Betrachtenden anhand einzelner Beispiele grundlegend zu erweitern, indem philosophische Fragen aus der akademischen Praxis herausgestellt werden und einen eigenständigen Raum einnehmen. Gleichzeitig wird so die Möglichkeit demonstriert, abstrakte Inhalte zu thematisieren, ohne sie auf Philosophiegeschichte zu reduzieren, wie dies in populären Debatten häufig geschieht. Der künstlerische Anspruch der Exponate leistet den Querbezug auf die – häufig verborgenen – ästhetischen Qualitäten jeglicher philosophischen Reflexion. Anhand von praktischen Beispielen sollen die ausgestellten Denkwelten direkten Bezug zu alltäglichen Erfahrungen herstellen. So kann zum Beispiel Cassirers abstrakte Überlegung an einem Apfel veranschaulicht werden, und durch den ihr zugeordneten Begleittext mit unterschiedlichen Interpretationen des Familienbegriffs durch Religion, Recht, Wissenschaft usw. verbunden werden. Der Grundgedanke Cassirers wird so in Bezug zur Lebenswelt der Betrachtenden gesetzt. In vertiefenden Begleittexten werden sowohl Bezüge zu den Primärquellen als auch kurze biographische und kulturgeschichtliche Eckdaten vorgestellt. Die dargestellte Denkwelt wird nochmals in einen philosophiehistorischen Kontext erläutert.